Die in diesem Blog veröffentichten Artikel stammen von einem Mann in den Fünfzigern. Heinz ist seit über dreißig Jahren verheiratet, hat zwei inzwischen erwachsene Kinder und einen Enkelsohn. Er ist Freiberufler und seit Eintritt ins Berufsleben vor knapp fünfundzwanzig Jahren selbständig – oder wie es heute als orthographisch richtig gilt – selbstständig tätig. Heinz liebt seinen Beruf. Er betont gern, dass es sich dabei eben nicht – wie man heutzutage häufig hört – um einen Job handelt. Denn Beruf komme ja schließlich von Berufung. Er wirkt dann manchmal etwas – besserwisserisch? – belehrend? – verknöchert? Jedenfalls ganz anders als er sich selbst fühlt.
Das Bild, dass er von sich hat, ist eher das eines Mannes, der trotz seines fortgeschrittenen Alters körperlich fit und geistig aufgeschlossen vor Begeisterung sprühen kann. Der so Manches weiß und kann, und der mit seinen Kenntnissen und Fähigkeiten so Einiges bewegt. Und der unter anderem deshalb geschätzt und geachtet wird. So sieht er sich – an den guten Tagen. Dann gibt es aber auch die weniger guten Tage. Jene, an denen die Konfrontation mit dem eigenen Spiegelbild anlässlich der morgendlichen Rasur in Selbstbeschimpfungen mündet. Oder doch zumindest zu Zweifeln führt, die ebenso wenig wie jene sein Gesicht durchfurchenden Falten einfach nur deshalb verschwinden würden, weil man sich ihnen zuwendet und sie mit Creme zu glätten hofft. Es sind Zweifel daran, ob auch unter der Prämisse, dass es bis hierher nichts zu bereuen und nichts zu beklagen gäbe, unterdessen nicht dennoch die Zeit gekommen ist, einen ganz und gar anderen Weg einzuschlagen. Alles ganz anders zu machen.
Wer über fünfzig ist, weiß, dass man nicht noch einmal von vorn anfangen kann. Heinz will das auch gar nicht. Warum auch? Er liebt sein Leben. Ein Leben das großteils das Ergebnis selbstbestimmter Entscheidungen ist, an denen es auch heute, nach so vielen Jahrzehnten nichts auszusetzen gibt. Alles ist gut. Aber muss es deshalb so bleiben? Heinz macht sich so seine Gedanken. Über sein Leben. Wie es bisher verlaufen ist; was er davon noch erwartet. Und ob er mit der Zeit zwischen dem, was war, und dem, was noch kommen wird, richtig umgeht. Ausgiebig Gelegenheit dafür, solchen Gedanken im Sinne des Wortes nachzugehen, bietet sich auf langen Spaziergängen mit seinem Hund oder beim Joggen. Wenn sich am Ende seiner Gedankenreisen, die in der Regel in Gestalt von Mono- oder Dialogen geführt werden, das Gefühl einstellt, er habe soetwas wie eine Erkenntnis gewonnen, ist Heinz bisweilen so besoffen von der Begeisterung darüber und über sich selbst, dass er die in langen Diskussionen und Erörterungen errungenen Ergebnissse festhalten möchte. Damit er und womöglich seine Kinder und Enkelkinder …
Tja, so sind sie eben, alte Männer. Gehen einerseits voller Demut vor der Erkenntnis der eigenen Endlichkeit in die Knie und meinen dann aber doch, dem Unausweichlichen ein Schnippchen schlagen zu können, indem sie etwas der Vergänglichkeit Trotzendes schaffen wollen. Und damit ist es denn auch an dieser Stelle erkannt, enttarnt und angeprangert. Letztendlich sind auch die hier anzutreffenden Elaborate nichts anderes als das Ergebnis solch törichter Versuche. Aber wen interessiert das? Heinz jedenfalls nicht. Er hat sich fest vorgenommen, sich solcher Kritik zu verschließen. Nicht ständig darauf zu schielen, was wohl der oder die Anderen dazu sagen würden. Gleich einem Autisten von außen unansprechbar. Ohne Reflexion der Außenwelt; einsam aber frei. Das Schreiben als Übung für das Leben? Wenn Du meinst. Dann mach‘ doch, was Du willst, Heinz.